Kontrovers – und zuversichtlich!

Ein kleiner Meilenstein liegt seit gestern hinter uns: Gemeinsam mit der Kreistagspolitikerin Gudrun Baer (CDU), zwei Mitgliedern des Elternbeirates und zwei Vertretern des LVR (nicht im Bild) besichtigten wir gestern die WfbM der Reha-Betriebe Erftland in Bergheim. 

Nachdem der Betrieb jahrelang jede Zusammenarbeit sowohl mit Politik als auch den Elternvertretern abgelehnt hatte, wollen wir jetzt einen Neuanfang wagen: Die Geschäftsführung, erweitert um zwei qualifizierte und gesprächsbereite Damen, lässt uns beide hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. 

Besonders heftig wurde in dem sehr konstruktiven Gespräch mein Blogbeitrag kritisiert, in dem ich ein Gespräch mit einem Elternvertreter wortgetreu wiedergebe: vieles habe sich damals ganz anders verhalten! Nun ja. Besonders interessant war der Standpunkt des LVR: In den Medien werde immer nur negativ berichtet. Nochmal: Nun ja. 

Der Gegenwind hat ordentlich gepustet, doch was soll ich sagen? 

In meinem allerersten Blogpost hatte ich gelobt: „Ich meine es ernst. Ich werde nicht mit Zurückhaltung denken, sprechen oder schreiben. Ich werde dazu beitragen, dass Menschen, die ausgegrenzt werden – und besonders Menschen mit Behinderung – sichtbarer werden“. Das setzt voraus, niemals Augen und Ohren zu verschließen.

Unser gemeinsames Fazit ist ein erfreuliches: Uns allen ist es gelungen, ein sehr schwieriges Gespräch sachlich und klärend zu führen. Es geht uns hier ausschließlich um Wohl und Glück der Beschäftigten. Wir freuen uns über den gelungen Neuanfang und bleiben kritisch.

Tödliche Gleichgültigkeit

Menschen mit Behinderung sind – wen wundert’s? – wenn es um die Klimakatastrophe geht wieder einmal nicht Teil der Diskussion. In aller Deutlichkeit: 15% der Weltbevölkerung sind aufgrund ihrer Beeinträchtigung ausgesprochen verletzlich – und ihre besondere Gefährdung ist so gut wie nicht erforscht. In den Sachstands – und Sonderberichten des Weltklimarats (IPCC) werden sie kaum erwähnt. 

Diese Benachteiligung in Wissenschaft und Forschung ist längst eine historische Konstante. Nun hat die Gleichgültigkeit entsetztliche Folgen. 

Gut erforscht immerhin wurden die Folgen des Hurrikans Katharina im Jahr 2005. Die Bilanz für Menschen mit Behinderung damals war verheerend:

Barrierefreie Warnsysteme fehlten weitgehend, so dass viele Betroffene gar nicht informiert wurden. Selbst bei der Evakuierung und Unterbringung war Barrierefreiheit oft Fehlanzeige. Es gab keine behindertengerechten Toiletten, Betten fehlten sowieso. 

Zudem fand die Katastrophe lange kein Ende für die behinderten Menschen, so sie denn überlebt hatten. Beim Zugang zu Essen und Wasser wurde an behinderte Menschen nicht gedacht, bei der notdürftigen gesundheitlichen Versorgung ebenso wenig. 

Schockierend auch, dass im Falle zerstörter Dokumente viele Menschen später keine Assistenz mehr erhielten, Kindern und Auszubildenden sogar der Zugang zum Nachteilsausgleich verwehrt wurde. 

Wenn wir im Alltag schon keine Inklusion hinkriegen – wie schlimm wird es dann erst, wenn die Erde sich weiter erwärmt? 

Bitte weitersagen:

Der LVR fördert den Bau inklusiver Wohnprojekte!

Seit mehr als einem Jahr lebt mein Sohn in einer stationären Wohngruppe einer Einrichtung des LVR, in einem Sondersystem, einer liebevollen, aber doch geschlossenen Welt, abgeschottet vom Leben der Anderen, der Mehrheitsgesellschaft. In diesem Haus arbeiten und wohnen ganz überwiegend wunderbare Menschen und meinem Sohn geht es dort sehr gut. Ich muss mit dem Widerspruch leben, dass wir Nutznießer dieser exklusiven Struktur sind und dennoch diese Sondersysteme, die immer auch Abhängigkeitssysteme sind, für einen großen Fehler halten. 

Auf dem Bild macht er sich gerade auf den Weg nach Hause. Der Abendhimmel spiegelt perfekt meine widerstreitenden Gefühle: Dankbarkeit dafür, dass wir uns nach 23 Jahren voneinander lösen können, dass er umgeben ist von freundlichen und fürsorgenden Menschen – und ich wieder mehr Freiheiten leben darf, Entlastung erfahre. Und Kummer. Über sein Leben in einer Umgebung, in der ihm Menschen ohne Behinderung derzeit in der Regel nur als Betreuer begegnen. Oder als Ärzte, Lehrer, Berater. 

Wir brauchen dringend mehr Wohnformen, bei denen Inklusion nicht nur draufsteht, sondern drinsteckt. 

Auftakt

Ich meine es ernst. Ich werde nicht mit Zurückhaltung denken, sprechen oder schreiben. Ich werde dazu beitragen, dass Menschen mit Behinderung sichtbarer werden. Als Mutter eines jungen Mannes mit Behinderung und werde ich hier in unregelmäßigen Abständen von erstaunlichen Menschen erzählen – und von meiner politischen Arbeit rund um das Thema Inklusion.